Hallo da draußen

Ein Besuch bei den Feuersteinfeldern

„Ein Haufen Steine hört in dem Augenblick auf, ein Haufen Steine zu sein, wo ein Mensch ihn betrachtet und eine Kathedrale darin sieht.“
© Antoine de Saint-Exupéry (1900 – 1944), französischer Schriftsteller und Pilot

Grch! Grch!

Bei jedem Schritt.

Grch! Grch!

Es ist kein einfaches Rascheln, aber auch kein Knirschen. Irgendwo liegt wohl die Beschreibung dazwischen, was gerade unter meinen Füssen passiert.

Es ist bewölkt und es wird sich wohl auch bald ein kleiner Regenschauer ankündigen. Dennoch habe ich mich an diesem frühen Nachmittag aufs Rad gesetzt und bin von Binz über Prora zu den Feuersteinfeldern gefahren.

Nun stehe ich hier und lausche dem unbeschreiblichen Geräusch bei jedem Schritt unter meinen Füssen. Es ist das einzige Geräusch, was man gerade hier vernimmt.

Grch! Grch!

Die Entstehung der Feuersteinfelder

Um die Entstehung dieses Naturphänomen zu verstehen, reisen wir etwa 10.000 Jahre in die Vergangenheit. Die letzte Eiszeit hinterließ, dort wo jetzt die Insel Rügen ist, einzelne Inselkerne wie Jasmund, die Granitz oder Wittow. Langsam stieg der Meeresspiegel an, so dass die Ostsee in seiner heutigen Form entstand. Durch den Meeresspiegelanstieg und Verwitterungs- und Ablagerungsprozessen lagerte sich zwischen den Inselkernen Sand und Geröll ab. So entstand die Schmale Heide als Nehrung zwischen den beiden Inselkernen, eine Nehrung mit etwa 7 km Länge, die die Außenbucht des Proer Wiek vom Jasmunder Boden trennt.

Hier wurden dann vor etwa 4000 Jahren dank Sturmfluten Feuersteine der Kreide an die Nehrung heran gespült und abgelagert. Ergebnis sind die Feuersteinfelder, auf denen ich jetzt stehe. Ich stehe also auf etwas, das vor 10.000 Jahren seinen Anfang nahm. Wow!

Der Radweg

Wie kann man dieses Naturphänomen besuchen. Ganz einfach – mit dem Rad. Für den diesjährigen Jahresurlaub habe ich mich für eine Woche mit dem Rad auf Rügen entschieden. Deutschlands größte Insel ist jetzt Ende September eine Insel der Ruhe und ich genieße diese Atmosphäre auf der Insel sehr.

Zuerst sei gesagt: Das Radfahren von Binz nach Prora ist ein absoluter Traum. Asphaltierte Radwege, klare Wegweisung und längere Abschnitte verlaufen nur geradeaus. Da kann man schon beim Fahren in eine leicht meditative Stimmung kommen und die Seele einfach mal baumeln lassen.

Aaach, wie schön. So macht Radfahren Spaß.


Immer geradeaus

Doch mit dieser Stimmung ist es ab Prora vorbei, denn ab hier suche ich nach dem Eingang der Feuersteinfelder. Bin ich etwa falsch gefahren?!

Ich blicke auf die Karte, die mein Smartphone abbildet. Ich sollte nun die L29 nehmen, dann komme ich ohne Probleme zu den Feuersteinfelder. Landstraße fahren? Och, nee. Ich schaue nochmal nach und muss leider sagen mit lautem Seufzen – ja. Na gut, dann mal los.

Auf der „Proraer Allee“ biege ich mit dem Rad in die L29 ein. Zum Glück ist es nur ein kurzer Abschnitt und ich erreiche einen Seitenweg auf der rechten Seite, der mich und mein Rand zu einer Parknische von einem Waldrand führt. Uff, geschafft und erleichtert. Ich mag es nämlich nicht, wenn ich mit dem Rad auf Landstraßen o.ä. fahren muss.

Angekommen an einem Waldweg, stelle ich anhand einiger geparkter Autos fest, dass ich nicht die Einzige bin, die die Idee hatte, den Feuersteinfeldern zwischen Mukran und Prora einen Besuch abzustatten. Ich kette mein Fahrrad an ein Verkehrsschild fest und dann geht mein Spaziergang los.

Der erste Eindruck

Um die Feuersteinfelder vom Süden her zu erreichen, muss man zuerst einen Abschnitt der Schmalen Heide durchqueren.

Doch ich möchte mir zuerst einen Überblick über das ganze Gelände machen und dazu eignet sich der Aussichtspunkt Seesandebene, der sich etwa 300 m nördlich von hier befindet. Dort angekommen steige ich die wenigen Stufen der hölzernen Plattform nach oben. Vor mir liegt nun ein schöner Panoramablick auf die Schmale Heide.


Ein Blick auf die Seesandebene

Jetzt im Spätherbst kann man nur noch sehr wenige Züge einer Heideblüte in ihren zarten Rosatönen erkennen. Ferner erlebt man dennoch hier die typische Landschaft einer Heide. Wenige Bäume, viele Sträucher und viel Buschwerk. So sieht die Heide aus.

Die Schmale Heide ist ein Naturschutzgebiet von etwa 40 Hektar Größe. Ihr Hauptbestandteil sind die 14 hintereinander liegende und etwa zwei Kilometer lange, parallel zur Ostseeküste verlaufende Geröllwälle aus Feuerstein. Zu etwa 90 Prozent sind sie aus Feuersteinen zusammengesetzt. Die restlichen 10 Prozent machen kristalline Geschiebe aus Skandinavien aus.

Nur wenige Meter von der Plattform entfernt, hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt ein Informationsschild über das „Naturerbe Prora“ aufgestellt. Hier erfährt man einige kurze Fakten zu dem Naturerbe, etwas zur Historie und zum heutigen Stand des Gebietes, das 1900 Hektar groß ist.

Die Naturerbe-App von „Schmaler Heide“

Eine weitere Möglichkeit die Natur in der Schmalen Heide zu entdecken ist es mit der Naturerbe-App. Leider habe ich davon erst erfahren als ich beim Spazieren durch die Schmale Heide den ersten weißen Pfahl mit dem QR-Code begegnet bin. Warum bewirbt man so was nicht mehr? Ich ärgere mich ein wenig darüber.


Ob der QR-Code etwas über den Baum erzählt?

Laut meiner Recherche (nach dieser Tour) ist diese App ein Kooperationsprojekt der Heinz Sielmann Stiftung, Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, Naturstiftung David, NRW-Stiftung, Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz, NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe sowie der DBU Naturerbe GmbH und informiert über eine Art Audiotour über das Naturerbe. Damit kann aber nicht nur die Feuersteinfelder auf Rügen erfahren, sondern die App kann man auch das Grüne Band und die Wahner Heide damit erkunden.

Leinkraut und (unglaublich) großer Pilz

Gefüttert mit den Informationen gehe ich nun in die Schmale Heide hinein. Die Orientierung ist einfach, da nur ein Feldweg mich in die Heide hineinführt.


Durch Feld und Flur

Am Rande der Feldwege kann man noch einige Blütenpflanzen beobachten. So habe ich ein paar noch wenigverbliebende Blüte des Echten Leinkrautes (Linaria vulgaris) entdeckt. Diese Pflanze wird hier in Mecklenburg wird es auch Linkraut oder Tackekrut bezeichnet.

Gut zu erkennen ist sie anhand ihrer weiß-gelben Blüte, deren Farbe in Richtung des schwach gebogenen Sporns ins reine Gelbe übergeht. Der echte Leinkraut hat eine Blütezeit von Mai bis Oktober, es ist also nicht überraschend Ende September in Blüte zu sehen.


Echtes Leinkraut (Linaria vulgaris) in Blüte

Das Echte Leinkraut wird zu den Apophyten gezählt. Das sind einheimische Pflanzenarten, die von ihren natürlichen ursprünglichen Standort auf menschengemachte („anthrophogene“) Standorte gewechselt sind und sogar davon teilweise abhängig wurden.

Ursprünglich gehörte das Echte Leinkraut der Küstenvegetation an, hat sich aber dank des Menschen, der begann vor 7000 Jahren die Wälder zu roden, auf die neuen Bedingungen angepasst; so wie hier in der Schmalen Heide, wo es viele offene sandige Standorte gibt.

Nur wenige Schritte am Wegesrand entfernt, entdecke ich einen wahnsinnig großen Parasolen. Ich verbinde diese Pilz gerne mit Erinnerungen an meine Kindheit, wo ich mit meinem Vater im Herbst Pilze gesammelt habe. Unter anderem stand auch der Parasol auf unseren Speiseplan.


Schuhgröße 39 / 40

Der Parasol ist ein Trivialname, denn dieser Pilz heißt eigentlich Gemeiner Riesenschirmling (Macrolepiota procera), aber von klein auf kenne ich ihn nur als Parasol oder als „Schnitzelpilz“, denn so haben wir ihn zubereitet. Roh ist dieser Pilz nämlich weniger genießbar, doch gart oder brät man ihn an, das ist er eine wahre Delikatesse. Wir haben die Schirme der Pilze immer paniert und gebraten wie ein Schnitzel („Spitzname!“). Einfach lecker.

Meinen Fund lasse ich aber stehen. Zu einem habe ich nicht die Möglichkeit zu Kochen, zudem befinde ich mich hier in einem Naturschutzgebiet. Da sollte man einfach alles, was hier in der Natur befindet, stehen lassen. Nur Eindrücke mitnehmen und Fußspuren hinterlassen. Sonst nichts.

Die Feuersteinfelder

Es geht auf flachwelligen Wegen durch die Heide. Es ist unglaublich still. Weitere Besucher bin ich bisher auch nicht begegnet. Und dann sehe ich sie vor mir: Die Feuersteinfelder.

Ich gehe die ersten Schritte hinein. Das Geräusch, das dabei unter meinen Füssen entsteht lässt sich schwer beschreiben. Es ist eine Mischung aus Stein-reibt-auf-Stein und Rascheln. Hm, ich finde keine Worte dafür. Und es ist laut. Oder liegt einfach an der Stille, die mich umgibt und nur dieses Stein-auf-Stein-Geräusch zu hören ist?


Feuersteine in Massen

Die Größe der Feuersteinfelder ist beeindruckt, immerhin haben diese eine Länge von über 2,5 Kilometern und einer Breite von 300 Metern.

Doch nicht nur die Fläche ist hier beeindruckend, sondern auch die Tiefe der Feuersteinfelder. Man müsste nämlich hier bis zu 3 Metern tief graben, bis man dann auf dem sandigen Boden unterhalb des Feuersteingerölls stößt.


Land Art bei den Feuersteinfeldern

Land Art und Pflege

Einige Feuersteine mit Löchern (sog. „Hühnergötter“) wurde auf Ästen bestückt. Da hat sich jemand künstlerisch ausgetobt. In der Umwelt- und Naturpädagogik wird das als Land Art bezeichnet. Eine Kunstform, die dadurch gekennzeichnet ist, dass man nur mit natürlichen Materialien ein Kunstwerk im Freien erschafft. Dadurch ist es auch den Verwitterungsprozessen ausgesetzt und somit ist das Kunstwerk nur von für einen gewissen Zeitraum erlebbar.

Doch neben der Kunst, die ich hier beobachten kann, bereiten die Feuersteinfelder auch richtig Arbeit. Denn um diese zu erhalten, bedarf es einiger Pflegemaßahmen. Damit diese offene Landschaft nicht zuwächst und somit die Feuersteinfelder unter Pflanzenbewuchs verschwinden, werden in eingezäunten Abschnitten Wasserbüffel gehalten, die den Bewuchs kurz halten. Diese großen schwarzen Tieren bin ich leider nicht begegnet, aber die eingezäunten Abschnitte habe ich gesehen.

Rundweg durch den Wald der Pilze

Ich verlasse die Feuersteinfelder und setzte meinen Weg links davon fort. Hier befindet sich ein Weg, der mich durch einen Mischwald führt.

Etwas urig sieht dieser aus. Sehe ich doch neben Totholz noch viel grünen Bewuchs. Auffällig ist der viele Farn, der hier wächst und den Wald wie aus der Urzeit erscheinen lässt.


Ein sehr grüner Wald

Neben den vielen grünen Bewuchs fallen wir die vielen unzähligen Pilze auf dem Weg auf. Aber es ist auch kein Wunder. Es war für längere Zeit recht warm gewesen und der regelmäßige Regen hat die Pilze regelrecht sprießen lassen.

Am Auffälligsten ist wohl eine ganze Reihe an Roten Fliegenpilze (Amanita muscaria), die ich hier fand. Er gehört wohl zu den bekanntesten Giftpilzen in Deutschland. Auffällig ist natürlich seine unverwechselbare rote Farbe. Eine Signalfarbe die sagt: Vorsicht, ich bin giftig!


Einge Gruppe von Fliegenpilzen (Amanita muscaria)

Nicht weit vom Fliegenpilz habe ich eine weitere Pilzgattung gefunden. In mehreren Büscheln habe ich Pilze der Gattung Schwefelköpfe (Hypholoma, syn. Naematoloma) gefunden.

Hierbei gibt es sowohl essbare als auch giftige Vertreter dieser Pilzgattung.


Gruppen von Schwefelköpfen (Hypholoma, syn. Naematoloma)

Zum Abschluss noch einen essbaren Pilz: den Gemeinen Birkenpilz (Leccinum scabrum). Diese Pilzart steht unter Naturschutz und sollte nur in kleinen Mengen für den persönlichen Verzehr gesammelt werden.

Er ist in Europa in Birkenarealen recht weit verbreitet und nimmt mit Birken (Name!) eine Symbiose (sog. Mykorrhiza) ein. Das heißt, dass der Pilz mit seinem feine Wurzelsystem im Kontakt zum Baum – in dem Falle die Birke – steht.


Ein schön gewachsener Gemeiner Birkenpilz (Leccinum scabrum)

Nachdem ich den Wald mit seinen vielen Pilzen umrundet habe, setze ich meinen Weg weiter nach Süden fort. Ich komme wieder an der Aussichtslattform „Seesandebene“ vorbei und von dort aus brauch ich nur noch wenige Minuten bis ich wieder mein Fahrrad antreffe. Es ist noch da. Jetzt wird es langsam dunkel. Zeit für mich zur Pension zurückzufahren. Auch mein Magen sagt, das für heute der Ausflug vorbei ist.

Ich freue mich jetzt auf die Strecke zurück nach Binz. Zuerst etwas meditatives Fahren und dann irgendwo etwas zum Essen besorgen. Und damit schließe ich diesen schönen Nachmittag auf den Feuersteinfeldern in der Schmalen Heide ab.

Mein Fazit

Wer sich für besondere Naturphänomene interessiert, sollte auf jeden Fall den Feuersteinfelder einen Besuch abstatten. Für ein paar Stunden kann man hier verweilen. Neben den Feuersteinfelder, die man betreten darf – kann man auch die Heide mit ihrer besonderen Fauna und Flora beobachten.

Wer mal in völliger Ruhe (und Einsamkeit) sein möchte, sollte die Feuersteinfelder – am besten bei nicht so schönen Wetter – besuchen, denn da kann man sicher sein, das sich kaum jemand hierher verirrt.


Steckbrief

Fahrradtour zu den Feuersteinfeldern

Karte

Hinweis

Obwohl die gesamte Strecke als Fahrradstrecke angegeben ist, bin ich die Route mit dem Rad von Binz nur bis zur Seesandebene gefahren. Ab hier sollte man die Schmale Heide zu Fuß betreten.

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Bahn

Mit dem Regionalzug fährt man bis nach Prora, von dort aus geht es zu Fuß über „Gewerbegebiet 1“ auf einen Feldweg, der nach Norden zu der Schmalen Heide führt

Bus

Mit dem Bus 22 kann man von Binz bis zur Station „Proraner Heide“ fahren. Hier steigt man aus, geht am Wohnmobilstellplatz vorbei und folgt dem Feldweg in Richtung Norden.

Anfahrt mit Fahrrad

Statt mit dem Bus sollte man aber lieber das Fahrrad nehmen. Spart Geld und man erlebt eine wunderbare Radstrecke.

Einkehrmöglichkeiten

Auf der Tour gibt es keine Einkehrmöglichkeiten, man kann aber in Prora einen Abstecher machen oder man kehrt nach der Tour in Binz ein


Quellen und lesenswerte Links

Lesefutter für alle, die mehr über die Feuersteinfelder erfahren möchten:

Hast du bereits einmal die Feuersteinfelder besucht? Wie empfandest du deinen Besuch? Was hast du beobachtet?

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