Hallo da draußen

Kino-Kritik: Das geheime Leben der Bäume

„Bäume sind keine Holzproduktionsmaschinen. Es handelt sich um fühlende Wesen.”
© Peter Wohlleben (*1964), Förster und Buchautor

Vorgeschichte

Peter Wohlleben ist zurzeit wohl der bekannteste Förster Deutschlands. Ich denke jeder, der sich mit dem Thema „Wald“ beschäftigt, wird nicht an seinen Büchern vorbeikommen. Stehen diese doch zumal auch wochenlang in den Bestsellerlisten.

Auf der Frankfurt Buchmesse im Oktober 2019 habe ich dann Peter Wohlleben zum ersten Mal live erleben können. Dort wurde mit ihm auf der Open Air Bühne ein etwa 1-stündiges Interview geführt. Natürlich war das Hauptthema der Wald. Hier erfuhr ich auch zum ersten Mal, das sein Buch „Das geheime Leben der Bäume“ verfilmt wurde und nächstes Jahr (also 2020) in den Kinos kommen sollte.

Ein Sachbuch, das verfilmt wird?! – Klingt spannend. Meine Neugierde war geweckt.

Doch läuft eine solche Dokumentation auch in meinem Kino vor Ort?! Ja – es läuft. Hurra!!!

Über Facebook starte ich dann an meine Freunde den Ausruf, wer denn Interesse hätte mit mir den Film im Kino anzuschauen. Prompt meldeten sich ein befreundetes Ehepaar und eine Woche später, am 7. Februar 2020, waren wir im Kino.

Anfangs schienen wir den Kinosaal nur für uns zu haben, doch nach und nach füllte sich der Saal. Es war mit Abstand das bunteste Publikum, was ich je bei einem Kinobesuch miterlebt habe. Dies ist wohl der Popularität der Bücher und der Person Peter Wohlleben geschuldet. Oder sitzen hier auch einfach richtige Wald-Fans?

Das Licht im Kinosaal geht aus und der Besuch im Wald kann beginnen…

Inhalt

Der Film beginnt mit einer Zeitrafferaufnahme eines Waldes mit Blick auf eine klare Sternennacht.

Nach dieser kurzen Aufnahme erhält man Eindrücke vom Leben des Förster Peter Wohllebens, der nicht nur einfach Förster ist, sondern als Autor regelmäßig in Talkshows und auch Radiosendungen auftritt und dort natürlich über sein Lieblingsthema „Wald“ spricht.

Auch nimmt man als (Kino-)Zuschauer an seinem Reisen auf nationaler und internationaler Ebene teil. Sei es hier in Deutschland als Redner bei den Protesten im Hambacher Forst oder als Besucher in den „Heiligen Hallen“ in Mecklenburg-Vorpommern. International begleitet man Peter Wohlleben auf seinen Lesungen in Polen und wie er dort einen Urwald besucht.

Schweden kann sich damit rühmen, den ältesten Baum der Welt zu haben. Der „Old Tjikko“, eine Fichte, steht in einem schwedischen Nationalpark. Auch hier verschlägt es Peter Wohlleben, der den Baum in einer seiner kurzen Lehrvideos, die er mit dem Smartphone dreht, demütig vorstellt.

Letztendlich verschlägt es Peter Wohlleben auch über den großen Teich, wo er auf Vancouver Island in Kanada einen kleinen Indianerstamm unterstützt, der darum kämpft, dass ein Teil ihres Waldgebietes nicht der Holzindustrie zum Opfer fällt.

Zwischen diesen Szenen, die das Leben von Peter Wohlleben näher beleuchten, bekommen wir auch Bilder des Waldes zu sehen. Mit der Hilfe von Zeitraffern und Zeitlupen-Aufnahmen wird der Wald lebendig. Es fallen langsam Blättern zu Boden, wachsenden Pilzen „schießen“ nahezu aus dem Boden, Bodennahe Blüher scheinen in sekundenschnelle ihre Blüten zu entfalten und Farne rollen ihre Blätter aus.

Hier sieht man, das Leben im Wald ist – nur aufgrund seiner (Lebens-)Geschwindigkeit nehmen wir Menschen es kaum wahr. Untermalt werden diese Bilder mit einer dezenter atmosphärischen Musik und Peter Wohllebens Stimme aus dem Off, der die gezeigten Filmaufnahmen kurz und knapp erläutert.

Doch es ist nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ im Wald. Im Film wird deutlich, dass Peter Wohlleben die Holzindustrie und die bisherige Art, wie Förster mit ihren Wäldern umgehen, kritisiert. Dies wird besonders deutlich, bei einer seiner Smartphone-Videos, das in am Rande eines Feld bei Treuenbrietzen in Brandenburg zeigt. Einst war hier ein Kiefernwald, der aber nun abgebrannt ist. Mit staatlicher Hilfe wurden die Brandreste entfernt, das Feld mit schweren Maschinen beackert und daraufhin wieder hier neue Kiefern bepflanzt. Laut Aussage von Peter Wohlleben werden diese sicherlich in 20 Jahren – aufgrund der schlechten Bodenverhältnisse – wieder vertrocknen. Mit ironischen Unterton beglückwünscht der Förster das Land Brandenburg zu dieser Entscheidung.

Auch wird die Kritik an Peter Wohlleben im Film thematisiert, wo ihm vorgeworfen wird, das er die Bäume sehr „vermenschlicht“. Hier äußert sich der Förster zu seinen Kritikers. Da wir Menschen kein „bäumisch“ sprechen, länge es doch nur Nahe, das man eine Sprache benutzt, die möglichst viele Menschen erreichen.

Der Film endet wie er anfängt. Mit einer Zeitrafferaufnahme eines Wald in einer klaren Sternennacht.

Das Licht im Kinosaal geht wieder an. Damit ist der Besuch im Wald vorbei.

Meine Kritik

Ein Film über den Wald zu machen, ohne mit erhobenen Zeigefinger oder zu sehr nur ins reine Fakten-blabla zu gehen ist keine leichte Aufgabe – vor allem, wenn es auf ein Buch basiert. Der Spagat zwischen purer Buchadaption und das Medium Film so zu nutzen, das man mehr erfährt, als nur durch ein Buch ist dem Regisseur Jörg Adolph durchaus gelungen.

Der Anfang scheint vielleicht doch zu sehr den Fokus auf die Person Peter Wohlleben zu legen, doch im Verlaufe des Filmes wird klar, das Peter Wohlleben keineswegs beabsichtigt sich selbst zu inzsenieren, sondern sein Hauptinteresse liegt darin, den Mensch für den Baum und für den Wald zu begeistern.

Diese Form der Darstellung, die erst im Verlaufe des Filmes klar wird, finde ich gut, wo wir doch in einer Welt leben, wo dank den verschiedenen Social Media Plattformen nur von Selbstdarstellern es so wimmelt. In diesem Film ist letztendlich der Baum (bzw. der Wald) der Protagonist dieser Dokumentation.

Die atmosphärische Musik (von Franziska Henske) ist dezent im Hintergrund zu den Zeitraffern und Zeitlupenaufnahmen zu hören. Aufnahmen von sich entfalteten Blättern, wie sich die Hüte von Pilzen nach oben erheben oder wie sich Farne aufrollen sind ein faszinierendes Naturschauspiel, das man unbedingt so im Kino sehen sollte. Diese Naturaufnahmen sind Jan Haft zu verdanken.

Zu diesen Aufnahmen ist die für mich angenehm wirkende Off-Stimme von Peter Wohlleben zu hören. Er erläutert  in kurzen Sätzen das gezeigte Naturschauspiel. Man meint, man macht mit ihm einen Spaziergang im Wald und er erklärt spontan, was wir gerade hier im Wald beobachten können.

Nicht nur seine Stimme, sondern auch die ganze Person Peter Wohlleben wirkt im Film ruhig und unaufgeregt. Er kommt sympathisch rüber und scheint zu jedem Punkt die passenden Worte zu haben. Ein Eindruck, den ich bereits bei seinem Interview auf der Frankfurter Buchmesse hatte.

Letztendlich finde ich es gut, das er sich auch zu seinen Kritikern äußert. Die Kritik lässt ihn nicht kalt, aber er erklärt auch, das für ihn keine bessere Möglichkeit gibt, als so wie er im „anthropomorphen“ Stil Bäume und deren (geheimes) Leben erklärt. Letztendlich helfen seine angewendeten Metaphern, komplizierte Zusammenhänge so zu erklären, das auch es als Laie auch verstehen kann.

Schöne finde ich auch den Anfang und Ende des Filmes, der mit einer Zeitrafferaufnahme eines Waldes in der Nacht bei klarem Sternenhimmel zeigt. Es wirkte wie ein „Waldspaziergang“, den man dort beendet, wo man angefangen hat.

Das einzige, was nur anders ist, das man mit viel mehr Wissen und Verständnis für den Wald den Wald bzw. den Kinosaal verlässt und das scheint auch letztendlich das Ziel dieses Filmes zu sein.

Fazit

Für die deutschsprachige Kinolandschaft neben den ganzen amerikanischen Comic-Blockbustern eine Rarität, die mehr Aufmerksamkeit verdient und hoffentlich nicht die einzige Dokumentation bleibt, die sich mit einem wichtigen Thema befasst, das uns alle interessieren sollte.

Der Anfang des Film ist etwas unglücklich gewählt, doch die Stärke der Dokumentation wird im Verlauf des Films deutlich.

Schöne Bilder, interessante Fakten und einen sympathischen Förster, mit dem man gerne in den Wald gehen möchte um noch mehr über das Thema zu erfahren.

Letztendlich macht die Dokumentation Lust, einmal den eigenen Wald vor der Haustür mal einen Besuch abzustatten.

Zwei kleine Fun-Facts zum Film

Erster Fun-Fact: Für jede verkaufte Kinokarte für den Film Das Geheime Leben der Bäume wird ein Baum auf Borneo/Indonesien gepflanzt. Diese Aktion entstammt der Kooperation zwischen Constantin Film mit der Web-Suchmaschine Ecosia. Hier gibt es nähere Infos zu dieser Aktion: https://de.blog.ecosia.org/ein-besseres-deal-fur-indonesien/

Zweiter Fun-Fact: Im Film war ein Gebärdensprachdolmetscher zu sehen, der eine Lesung von Peter Wohlleben in polnischer Gebärdensprache übersetzt hatte. Vermutlich ist es nur mir und meinen Freunden aufgefallen – naja, ich bin ja auch Gebärdensprachdolmetscherin und da Lesungen recht selten von Dolmetschern begleitet wird, fällt sowas (jedenfalls mir) auf.


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